56 Das Deutsche Reich.
6. Fürstentum Waldeck bildet ein waldreiches, wenig bevölkertes Gebirgs-
ländchen im Ostflügel des Rheinischen Schiesergebirges. Das Ländchen hat
preußische Verwaltung. — Arolsen. Pyrmont.
(Von einem Grafen von Waldeck weiß die Geschichte bereits am Ende
des 12. Jahrhunderts zu berichten. Später wurde das Land ein Fürstentum
(17. Jahrhundert), befand sich aber bis 1847 im Lehnsverhältnis zu Hessen.
Die Regierung des Landes ist durch Verträge (1867 und >878) an
Preußen übergegangen, unbeschadet der fürstlichen Hoheitsrechte.)
7. Freie Städte: Lübeck, Hamburg, Bremen.
(Lübeck, Hamburg und Bremen sind die letzten der ehedem so zahlreichen
freien Reichsstädte. Bereits 1241 schlössen die beiden erstgenannten Städte
ein Bündnis, das die Grundlage des Hansabundes bildete, zu dem
Bremen 1276 beitrat. Uber 200 Jahre hindurch stand Lübeck als Haupt
der Hansa auf hoher Machtstufe. Mit dem Verfall der Hansa und der
Entwicklung des überseeischen Handels trat Hamburg immer mehr in den
Vordergrund. Demnächst wußte sich Bremen als Handelsstadt zu behaupten,
währeno Lübecks Handel durch Änderung der Richtung des Weltverkehrs
zurückging.)
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land]]
TM Hauptwörter (100): [T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
58 Kulturgeographie.
2. Da- deutsche Volk.
a) Nach Körpermerkmalen lassen sich im Deutschen Reiche 2 Grund-
formen, nämlich Blonde und Braune unterscheiden.
Zu den Blonden gehören die Menschen mit blondem Haar, blauen
Augen und weißer Haut.
Die Braunen haben braunes bis schwarzes Haar, braune bis schwarze
Augen und weiße bis bräunlich-weiße Haut.
Etwa jeder 3. Mensch im Reiche ist blond, jeder 7. !braun. Die
übrigen Deutschen gehören Misch formen an. Dabei zeigt sich, daß Nord-
deutschend das eigentliche Land der Blonden ist. Nach 8. hin nehmen
sie ab, so sind in Lauenburg z. B. 450/0, im Reichsland 18 °/0 blond.
Die Brünetten sind in Süddeutschland am meisten vertreten und werden
nach N. hin knapper, z. B. in Schlettstadt waren 31 v. H. braun, in
Oldenburg nur 7.
In Österreich-Ungarn, in Belgien und in der Schweiz treten die Blonden
gegen die Brünetten zurück.
Die deutsche Sprache sprechen auf der ganzen Erde etwa 10v
Millionen Menschen, davon sind 30 Mill. niederdeutsch, einschließlich
Niederländer und Vlämen.
Es lebten im deutschen Gebiet 1900 55,6 Mill. in der Union 10 Mill.
in Osterreich-Ungarn 11,5 „ in Britisch N.-Am. 0.5 „
in der Schweiz, Belgien, den > in Brasilien 0,5 „
Niederlanden, Luxemburg f ' " in Argentinien 0,06 „
in Rußland_2,0 „ in Amerika 11 Mill.
in Europa 79,3 Mill.
in den anderen Erdteilen 0,7 Mill.
b. Volkscharakter. Die Grundstimmung des deutschen Volkscharakters
ist der Idealismus. In diesem wurzelt jene deutsche Innerlichkeit, Innig-
keit und Gemütstiefe, die allgemein einen deutlich hervortretenden Zug des
deutschen Wesens bildet. An seine Aufgaben tritt der Deutsche mit Ernst und
Gründlichkeit heran' eiserner Fleiß und scharfes Denken kennzeichnen auch seine
wissenschaftlichen Leistungen.
Auch das deutsche Familienleben wird von jener Grund-
stimmung des deutschen Wesens beherrscht. In seiner preiswürdigen Rein-
heit und Innigkeit kann es noch immer als Muster für jedes andere Volk
hingestellt werden. Gerade im deutschen Familienleben, von der Bauern-
Hütte bis zum Kaiserhause, prägt sich der echte deutsche Zug der „Gemütlich-
keit" aus. — Aus dem deutschen Idealismus entspringt endlich auch jener
weltumspannende Weltbürger sinn, der den Deutschen gegen andere Völker
die hochherzigste Teilnahme und Gerechtigkeit lehrt.
Aber das deutsche Volkstum hat auch seine Mängel, die sich zu
Zeiten unheilbringend hervorwagen. Gegenüber dem großartigen idealen
Aufschwung des deutschen Volkstums macht sich das deutsche „Spießbürger-
tum" breit, dessen Gesichtskreis über den heimatlichen Winkel nicht hinaus-
geht. Gegenüber der glühenden Vaterlandsliebe zeigt sich der Hang des
Deutschen zur Fremde, der sich in ässischer Nachahmungssucht fremder Dinge
und Gewohnheiten kundgibt, die dem guten Geschmack und der deutschen Sitte
widerstreiten. Dem Weltbürgersinn des Deutschen entspringt in der Fremde
die Neigung, seine Nationalität aufzugeben, und in dem eigenen
Vaterlande steht ihm gegenüber Uneinigkeit und Sonderbündelei, die
viel Unglück über das deutsche Volk gebracht haben. Gegen diese Fehler an-
zukämpfen, ist eine wichtige Aufgabe der Volkserziehung.
e. Das Wachstum der Bevölkerung. Das Deutsche Reich, das bei seiner
Gründung 1871 41 Millionen Menschen aufwies, zählte bei der Volkszählung
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Ernst
Extrahierte Ortsnamen: Lauenburg Reichsland Oldenburg Österreich-Ungarn Belgien Osterreich-Ungarn Schweiz Belgien Brasilien Niederlanden Luxemburg Argentinien Amerika Europa
B.
Die erdkundlichen Grundlagen des Wirtschafts-
lebens Deutschlands, sein Verkehr mit andern
Ländern.
I. Deutschlands Kulturstellung und Beziehungen zur Fremde.
j(. Zveltstellung.
Das Deutsche Reich hat in Europa eine bedeutsame zentrale Lage.
Wie kein anderes Land erscheint es infolgedessen dazu berufen, eine ver-
mittelnde, ausgleichende Stellung einzunehmen und als Land der Mitte, als
,,Herz Europas", einen belebenden Einfluß auf alle übrigen Länder des
Erdteils auszuüben.
Jede größere Bewegung in Europa zog auch das deutsche Land in
Mitleidenschaft. Im Altertum freilich lag Deutschland fern von den Brenn-
punkten des damaligen Kulturlebens. Als sich aber im Laufe der Jahr-
hunderte u. Chr. Europa immer mehr als Hauptträger der christlichen
Gesittung entwickelte, wurde Deutschland der Mittelpunkt europäischer Kultur-
entfaltung, besonders zu den Zeiten der Ottonen, Salier und Hohenstaufen.
Die römifch-deutschen Kaiser waren die weltlichen Herrn der ganzen Christen-
heit auf Erden. — Zu Zeiten nationaler Ohnmacht war Deutschland
Angriffsziel der umwohnenden Völker, die auf Kosten des Reichs ihr Staaten-
gebiet vergrößerten. Auch wurden alle großen europäischen Kriege, wie z. B.
der 30jährige, der 7 jährige, der Freiheitskrieg 1813 bis 1815, auf deutschem
Boden ausgefochten.
Die Lage in der Mitte des Erdteils und die leichten Verkehrsverhältnisse
brachten das deutsche Volk früh in ungezwungene Verbindung mit der Fremde,
wodurch Handel und Verkehr gefördert, Gewerbe, Kunstfleiß und Wissenschaft
belebt wurde». Leider ist dabei Deutschland nicht von jener „Ausländerei"
verschont geblieben, die sich in der Nachahmung fremder Sitten und Gebräuche
und der Verunstaltung der deutschen Sprache durch Fremdwörter zeigte. Zu
Zeiten vaterländischer Größe wurde sie indessen durch das gesunde Volks-
bewußtsein zurückgedrängt. — Deutschland hat aber nicht nur von der Fremde
Anregungen erhalten, sondern ist in dieser Hinsicht auch stets ein reicher
Geber gewesen. Deutsche Erfindungen haben viel zur Entwicklung der
Wissenschaft beigetragen, deutsche Dichter und Denker, Künstler und Forscher
das Geistesleben der Länder Europas zu verschiedenen Zeiten belebt.
Mit der Wiedererrichtung des Deutschen Reichs 1871 hat Deutschland
die Machtstellung in Europa erlangt, wie es ihm nach seiner Lage und
seiner Macht in Europa gebührt. Sein starker Arm reicht über die
Meere, um in jedem Winkel der Erde die deutschen Interessen zu schützen «
und zu fördern.
J
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschlands Europa Europa Altertum Deutschland Europa Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Europas Deutschland Europa Europa
Kulturgeographie. 59
von 1905 bereits über 60millionen Einwohner, hat sich also in dem kurzen
Zeitraum von 35 Jahren um die Hälfte vermehrt. Diese rasche Volksver-
mehrung hebt Deutschland weit über das romanische Frankreich und läßt es
nur hinter derjenigen von England und Wales zurückstehen. In den letzten
Jahrzehnten ist dazu das Wachstum der deutschen Bevölkerung größer ge-
wesen als früher. — Im einzelnen weisen die verschiedenen Gebiete Deutsch-
lands recht abweichende Entwicklungen auf. Wenn in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts besonders landwirtschaftliche Distrikte eine rasche Zunahme
der Bevölkerung aufwiesen, so hat sich das in der zweiten Hälfte wesentlich
zu Gunsten der rasch aufblühenden Jndustriebezirke Brandenburg-Berlin,
Westfalen, der Rheinprovinz, Sachsen, Württemberg, besonders auch Braun-
schweig, Anhalt und der Reichsstädte Bremen, Lübeck und Hamburg ver-
schoben. Deshalb ist auch Norddeutschland stärker gewachsen als Süddeutsch-
land. Bei dem Anwachsen der Bevölkerung in industriellen Gebieten spielen
Wanderungen eine erhebliche Rolle. Im Königreich Sachsen, in Westfalen,
in dem Rheinlande zc. überwiegt die Zunahme des Volkes die Geburtenziffer,
was bloß durch fremde Zuwanderung erklärt wird. Im allgemeinen läßt sich
sagen, daß das westliche Deutschland den größten Zuzug, das östliche den
größten Wegzug hat; in Süddeutschland gleichen sich Zu- und Wegzug ziem-
lich aus. — Die Gründe für die auffällig rasche Volksvermehrung in der
Gegenwart liegen in dem wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwünge
Deutschlands seit 1871, der sich zeigt in der Steigerung des Geburtenüber-
schufses, in dem Zurückgehen der Sterblichkeitsziffer (besonders der Kindersterb-
lichkeit) auf Grund verbesserter und weiter ausgedehnter hygienischer Einrich-
tungen und sozialer Gesetzgebungen, schließlich in der Verminderung der Aus-
Wanderung, die 1881 auf 220902 Personen angestiegen war, seit 1900 aber
jährlich nur etwa 1j10 davon beträgt.
d. Die Verteilung der Bevölkerung in Deutschland. Die Volksdichte be-
trug bei der Zählung von 1905 112,1 E. auf 1 qkm (1895:96; 1871:76). Mit
dieser Zahl bleibt Deutschland in Europa hinter Belgien, England und Wales
zurück, die mehr als doppelt so dicht bevölkert sind; auch die Niederlande
(168,9 E. pro qkm) und Italien (117,6 E. pro qkm) weisen höhere Durch-
schnittswerte auf. Abgesehen von Berlin und den drei freien Reichsstädten
sind das Königreich Sachsen, die Rheinlande und Westfalen am dichtesten be-
völkert, wo die 3—5 fache Bevölkerung auf derselben Fläche sitzt wie im agra-
rischen O. In Mecklenburg, Pommern und Ostpreußen finden wir die dünnste
Bevölkerung. Ein Vergleich der letzten Volksdichteangaben mit früheren zeigt,
daß die Zunahme am größten in den Gebieten ist, die ohnehin schon dichter
bevölkert sind. Für wirtschaftliche Verhältnisse ist die Verteilung der Be-
völkerung auf Stadt und Land besonders lehrreich. Im O. und S. Deutsch-
lands wohnt die Bevölkerung besonders auf dem Lande, in den übrigen Teilen
in Städten. Großstädtische Bevölkerung findet man besonders im N. und
Nw, mittel- und kleinstädtische in Mitteldeutschland, klein- und landstädtische
im W. Die sotlausenden Volkszählungen ergeben, daß die Landbevölkerung
Schritt für Schritt zurückgeht, daß dagegen besonders die Großstädte eine
enorme Entwicklung ausweisen. 1871 wohnten 2 Mill. E. = 5 %, 1895
7 Mill. E. == 13%, 1905 11,5 Mill. — 19% der Gesamtbevölkerung in Groß-
städten. Dieses unverhältnismäßige Wachstum, das in gewissem Sinne auch
die Mittel- und Kleinstädte ausweisen, geschieht auf Kosten des platten Landes,
wo die Bevölkerung deshalb trotz der hohen Geburtenziffer nicht wächst, ver-
einzelt sogar zurückgeht (Ostpreußen, Pommern, Hohenzollern, die beiden Mecklen-
bürg, Waldeck). In einzelnen Großstädten ist nur V3 der Bevölkerung am
Orte geboren, in keiner einzigen geht die ortsgebürtige Bevölkerung über 2/s
hinaus. Die großen Städte üben eine förmliche Anziehungskraft aus, die mit
der Entfernung abnimmt. Daraus erklärt sich die eigentümliche Tatsache,
daß um die Großstädte ein förmlicher Saum stadtähnlicher Dörfer sich lagert,
deren Bevölkerung im engsten wirtschaftlichen Wechselverkehre mit dem groß-
städtischen Zentrum steht.
e. Die Verteilung der Geschlechter und der Lebensalter der Bevölkerung.
Europa unterscheidet sich dadurch wesentlich von anderen Kontinenten, daß
m ihm das weibliche Geschlecht gegenüber dem männlichen in bedeutender
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich England Wales Brandenburg-Berlin Westfalen Sachsen Württemberg Hamburg Norddeutschland Sachsen Westfalen Rheinlande Deutschland Deutschlands Deutschland Deutschland Europa Belgien England Wales Italien Berlin Sachsen Westfalen Mecklenburg Pommern O. Mitteldeutschland Pommern Europa
70
Kulturgeographie.
Die Eisenbahnen bewältigen neben der Flußschiffahrt den Innen-
Handel. An Gesamtlänge der Bahnen (1908: 60 Tsd. km) steht
Deutschland in Europa an der Spitze. Es wird nur von der Union
übertroffen.
Den größten Güterverkehr haben Berlin, Hamburg, Leivzia
Mannheim, Cöln, Duisburg.
Ergebnisse: Aus den voraufgegangenen Darlegungen ergibt sich, daß
das Deutsche Reich der 2. Handelsstaat und der 3. Industriestaat der Erde
ist. Als Vroterzeuger nimmt es die 4. Stelle ein.
Die deutsche Volkswirtschaft hat es also in jeder Beziehung zu ganz
hervorragenden Leistungen gebracht, Deutschland ist auch in dieser Hinsicht
eins der ersten Kulturländer der Erde.
Dabei hat es im Gegensatz zum industriellen England ein gewisses
Gleichgewicht zwischen Landbau und Gewerbe zu halten
verstanden.
7. Auswanderung.
Seit 1821 sind 6 Mill. Deutsche meist nach Nordamerika ausge-
wandert. Noch heute gehen 90°/° aller deutschen Auswanderer nach Nord-
amerika, die übrigen nach Südamerika, Australien, Afrika und Asien. Die
großen Auswandererhäfen sind Bremen, Hamburg und Antwerpen.
Die Auswanderung hat gegen früher sehr nachgelassen. Sie betrug
1881—1890 durchschnittlich im Jahre 134 Tsd.
1891—1900 „ „ „ 53 „
1900—1909 „ „ „ 28 „
1909: 25
8. Deutsche Aolonien.
Mit dem Beginn der Erwerbung von Kolonien in den Jahren 1884
und 1885 ist das Deutsche Reich in die Reihe der europäischen Kolonial-
mächte getreten. Der gesamte deutsche Kolonialbesitz in Afrika und in der Südsee
umfaßt über 27s Mill. qkm mit 13 Mill. E. Über die Landeskunde
der einzelnen Kolonien vergl. Heft 1.
Sämtliche deutschen Schutzgebiete sind Kronkolonien und werden vom
Reiche verwaltet. In den einzelnen Gebieten arbeiten Reichsbeamte
und Kolonialgesellschasten für die Kultivierung der Ländergebiete.
Die bisherigen Erfolge berechtigen zu der Annahme, daß sich der deutsche
Kolonialbesitz zu festen Stützpunkten des deutschen Weltverkehrs und Welt-
Handels entwickeln werde. Deutsche Forscher haben uns Nachrichten
über die natürlichen Verhältnisse jener Länder gebracht und sind für die
Einrichtung des Handels tätig gewesen. Durch Errichtung von Schutz-
truppen sucht man für Ruhe und Sicherheit in jenen Ländern zu sorgen.
Ferner hat man Versuchsplantagen angelegt und mit dem Bau von
Eisenbahnen begonnen. Durch neue Dampferlinien sucht man den Außen-
Handel zu beleben, durch Anlage von Schulen den Eingeborenen europäische
Bildung zu übermitteln. Missionare sorgen unter den Eingeborenen
aller Kolonien — oft unter den größten Entbehrungen und Gefahren —
für Verbreitung christlicher Religion, Sitte und Lebensweise.
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Europa Berlin Hamburg Leivzia
Mannheim Duisburg Deutschland England Nordamerika Südamerika Australien Afrika Asien Hamburg Antwerpen Deutsche_Reich Afrika
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48 Osteuropa.
Bevölkerung in den Ostseeländern, die Rumänen und Griechen an den
Küstenländern des Schwarzen Meeres und Juden, die zahlreich im Reiche
zerstreut wohnen und Handel treiben.
Die Deutschen (2 Mill.) im russischen Reiche sind hauptsächlich auf
drei Gebiete verteilt, a) In den baltischen Provinzen sind es Nach-
kommen jener Deutschen, die zur Zeit der Ritterherrschaft und der Hansa das
Land kolonisierten; zum Teil stammen die Siedelungen aus späterer Zeit.
Die berühmteste aller städtischen Kolonien ist die in St. P et ersburg, die der
eigentliche Mittelpunkt des ganzen deutschen Lebens in Rußland ist. Bei
Petersburg Schwabensiedelungen aus der Zeit Katharinas Ii.
b) Das zweite Gebiet der deutschen Kolonisten sind die Wolgakolonien
in der Nähe der Städte Ssamara, Ssaratow und Sarepta. Diese
Niederlassung ist von Herrnhutern gegründet und erfreut sich ganz besonderer
Blüte, c) Endlich sind die Ansiedlungen in Südrüßland, im Gebiet
der pontischen Steppe, zu erwähnen, wo namentlich deutsche Mennoniten viel
zur Kulturentwickelung jener Gegend beigetragen haben. — Die Deutschen in
Rußland haben größtenteils ihr deutsches Wesen treu bewahrt. Rußland
war das Ziel deutscher Auswanderer, bis die Union bevorzugt wurde (1820).
Zu den mongolenartigen Völkern gehören in Nordrußland die
Finnen mit hoher Kultur, Lappen und Samojeden, in den südrussischen
Steppenländern die Nomadenvölker der Kirgisen, Tataren und
Kalmücken. Unter den sö. Steppenvölkern ist der Moh ammed anismus
verbreitet, unter den mongolenartigen Völkern des Nordens noch vereinzeltes
Heidentum anzutreffen.
Rußland ist einschließlich seiner asiatischen Besitzungen das zweitgrößte
Land der Erde und hat vor dem britischen Weltreiche, dem es an räumlicher
Größe etwas nachsteht, die Geschlossenheit des Besitzes voraus. Freilich fehlt
ihm ein offener, eisfreier Zugang zum Ozean, so daß man es nicht selten
mit einem gefesselten Riesen verglichen hat. Die gewaltige Ausdehnung
seiner dünn bewohnten Fläche, die in Kriegszeiten ein günstiges Verteidigungs-
mittel darstellt (Napoleon I.), ist eine der Hauptursachen dafür, daß das
heutige Rußland bei weitem noch nicht die gleichmäßige wirtschaftliche und
kulturliche Höhe der westeuropäischen Reiche erlangt hat. Der Masse des
russischen Volkes fehlt jede Bildung. Unerträgliche Steuerlasten und ein be-
stechliches Beamtentum halten den Fortschritt auf. So kommt es, daß Ruß-
lands natürlichster Reichtum, sein fruchtbarer Boden, dem Raubbau unterliegt,
Mißernten und furchtbare Hungersnöte keine Seltenheit sind und die Ertrags-
fähigkeit auch des Schwarzerdegebiets langsam abnimmt. Trotzdem beruht
Rußlands weltwirtschaftliche Bedeutung auf seinem Getreidebau. Auf
Rußland kommt in guten Jahren mehr als 1j3 der ganzen europäischen
Getreideernte, und das Getreide nimmt fast die Hälfte der russischen Ausfuhr
ein. Unbedeutender ist die Viehzucht, die nur in der südrussischen Steppe
eine gewisse Rolle spielt und als Renntierzucht das Leben in der
nördlichen Tundra möglich macht. Neben Schweden ist Rußland das wald-
reich st e Land Europas; die bedeutungsvolle Jagd auf Pelztiere und die
erhebliche Holzausfuhr hängen damit zusammen. An die wasserreichen Flüsse
und Küstengewässer knüpft sich ein ergiebiger Fischfang; der Kaviar ist
ein geschätzter Ausfuhrartikel.
Der Mineralreichtum des europäischen Rußlands ist geringer, als
man vielfach glaubt. Nur der Ural liefert neben Platina das meiste Gold
in Europa; die Haupterzlagerstätten liegen auf dem asiatischen Abhang des
Gebirges. Auch die Petroleumquellen am Kaukasus gehören zu Asieu. Die
Kohlen sind geringwertig, nur die polnischen an der oberschlesischen Grenze
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Konstantinopel Oberrheinische_Tiefebene Schwarzes- Rheins Rheinische_Schiefergebirge Europas Asiens Konstantinopel Konstantinopel Europas
10 Südeuropa.
zurückgewichen. Daher herrscht großer Reichtum des Gutsbesitzers neben
Bettelarmut des Bauern inmitten einer blühenden Kulturlandschaft. Ahnlich
ists auch in anderen italienischen Landschaften.
Italien ist vor allen Ländern Europas das Land der Südfrüchte
und der Olerzsugung. Seidenbau blüht besonders in der Lombardei.
Italien liefert in Europa bte meiste Rohseide aller Rohseide) und wird auf der
Welt nur von China und Japan übertroffen. Die jährliche Weinernte
kommtderfranzösischen nahe. Die Armut an Mineralien, namentlich an
Kohlen, läßt das Großgewerbe nicht recht zur Entwickelung kommen. Außer
Seiden- überhaupt Textilindustrie ist nur die Stroh Warenindustrie der
Lombardei zu erwähnen. In neuester Zeit hat die in den Alpentälern durch
die Wasserkraft erzeugte Elektrizität die Kohlen einigermaßen ersetzt.
Von Bodenschätzen hat nur der Eisenreichtum der Insel Elba, das Zink
und Blei von Sardinien, der Marmor von Carrara wirtschaftliche Be-
deutung. Italien ist der Hauptsitz der mittelmeerischen Korallenfischerei
und Korallenbearbeitung. Auch die Fischerei ist bedeutend. Der Handel
hat sich seit Eröffnung des Sueskanals und der Tunnelbahnen wieder ge-
hoben.
Italiens Lage zu den Hauptstraßen des Weltverkehrs hat
stark gewechselt. 1. Zur Römerzeit lag es in der Mitte der bekannten
Erde. — 2. Infolge der Kreuzzüge blühte der Orient Handel empor,
ebenso die Handelsrepubliken, der Wohlstand, Kunst und Wissenschaft. —
3. Infolge der Entdeckung Amerikas und des Seewegs nach Ostindien
wurde der Verkehr Europas durch die atlantische Seite vermittelt. Italien
trat in den Hintergrund. — 4. Seit Eröffnung des Sueskanals
erneutes Aufblühen des Handels (Genua, Neapel).
Das moderne Italien läßt zur Zeit eine staatliche Blüte noch vermissen.
Die nationale Zerrissenheit ist wegen der starken Unterschiede im Volkscharakter
und in der Sprache größer als in Deutschland. Die Kulturhöhe zeigt zwischen
den Bewohnern des X. und denen des 8. die stärksten Gegensätze. Dazu
die oben erwähnte drückende Lage des Bauernstandes. Die Steuerkraft des
Volkes ist den großen Kulturaufgaben des Staates und seinen militärischen
Rüstungen nicht gewachsen. So erklärt sich die starke Auswanderung, die
diejenige aller europäischen Länder übertrifft und insbesondere die Gebiete der
Großgrundbesitzer empfindlich trifft.
Der Außenhandel Italiens ist daher heute noch gering, nicht vielmehr
als 1/i des deutschen. In der Einfuhr stehen obenan Getreide, Baum-
wolle und Kohlen. In der Ausfuhr nimmt die Roh- und bearbeitete
Seide etwa 1j3 des Gesamtwertes ein.
Deutschland steht unter den mit Italien handeltreibenden Staaten
bezüglich seiner Ausfuhr nur wenig hinter England, bezüglich der Einfuhr
nur hinter der Schweiz zurück. Wir beziehen in steigendem Maße Rohseide,
Südfrüchte, Marmor und Schwefel und liefern dafür besonders Produkte
der Eisen- und Maschinenindustrie, der Textilindustrie und Teerfarbstoffe.
3. Ortskunde.
a) In Oberitalien: « Turin, eine der schönsten Städte Italiens,
am Po und an der Bahn, die sich an den Mont Cenis-Tunnel schließt,
sfr Genua in schöner Lage, Italiens erste Seehandelsstadt, besonders für
den Verkehr mit Amerika wichtig. O Mailand, Hst. der Lombardei, größte
und reichste Stadt Norditaliens, Knotenpunkt des oberitalienischen Bahnnetzes,
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn]]
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Extrahierte Personennamen: Carrara
Extrahierte Ortsnamen: Italien Europas Italien Europa China Japan Elba Sardinien Italien Italiens Amerikas Ostindien Europas Italien Genua Neapel Italien Deutschland Italiens Deutschland Italien England Oberitalien Turin Italiens Genua Italiens Amerika Mailand Norditaliens
16 Südeuropa.
Moh ammedaner, fast alle übrigen Bewohner aber griechisch-ortl,od vre
Christen.
Unter den Nahrungsquellen ist in erster Linie die Landwirt-
schaft zu nennen. Freilich ist sie trotz des fruchtbaren Bodens und günstigen
Klimas infolge der langen Türkenwirtschaft arg vernachlässigt. Von Be-
deutung für die Ausfuhr ist der Wein- und der Oliven bau in Griechen-
land, die Rosenzucht im Maritzatal, der Anbau von vorzüglichem
„türkischem" Tabak, der Getreidebau in Bulgarien und die Pflaumen-
zucht in Bosnien und Serbien. Ausgedehnt ist die Schafzucht (das Fleisch
der Schafe ist ein Hauptnahrungsmittel) und in Bosnien und Serbien,
begünstigt durch die großen Elchenwaldungen, die Schweinezucht. Die
Ziege ist in Griechenland das wichtigste Haustier. — Die Erzeugnisse
des Gewerbfleißes sind unbedeutend, abgesehen von der Teppich-
Weberei. Seidenzucht und an den Küsten Griechenlands die Schwamm-
fifcherei zählen zu den wichtigsten Erwerbsquellen. Den Binnenhandel
fördern die Bahnen zwischen Belgrad-Konstantinopel (Orientbahn) und
Belgrad-Saloniki. Der Seehandel liegt darnieder. Fortschritte knüpfen
sich erst an die unmittelbare Gegenwart.
Vor allen andern Ländern Europas war die Halbinsel ihrer Lage ge-
maß am meisten den Einwirkungen des Orients ausgesetzt. Hier nahm die
europäische Kultur, angeregt von der des Morgenlandes, ihren Ausgang. Bald
übertrafen die Hellenen an Ge-
dankenklarheit und edlerem Ge-
schmack für Bau und Bildwerke
die Morgenländer. Todesmutig
wurde von den Griechen die junge
europäische Gesittung gegen den
Ansturm der Perser verteidigt. So
blühten Kunst und Wissenschast
im Altertum in Griechenland
empor. Alte Baudenkmäler geben
noch heute Kunde von der Höhe
altgriechischer Kunst.—Im Mittel-
alter erlag die Halbinsel, der
morsche Rest des Oströmischen
Reichs, dem Ansturm der Türken,
die >453 Konstantinopel eroberten,
in den folgenden Jahrhunderten
tiefnach Mitteleuropa vordrangen
und fast ganz Ungarn, Rumänien
und die Länder n. vom Schwarzen
Meer unterwarsen. Im 17. Jahr-
hundert bereits begannen die Verluste, die sich bis in die neueste Zeit derart
fortgesetzt haben, daß von dem einstmaligen großen Türkenreiche in Europa
nur noch wenig übrig geblieben ist.
Staaten und Trtskundc.
I. Die europäische Türkei (= '/2 Preußen, reichlich 6 Mill. E., 30 auf 1 qkm) ist
in seiner heutigen Gestalt ein Trümmerstaat, ohne natürliche Grenzen und
ohne einen innigen wirtschaftlichen Zusammenhang seiner Teile, in denen eine
buntgemischte Bevölkerung sich gegenseitig befehdet. Die Kultur ist wemg
entwickelt, kaum Via des Bodens ist bebaut. Handel und Verkehr liegen dar-
nieder. Die Industrie ist gering, höchstens in der Form des Klein- und
Hausgewerbes (Teppichweberei) vertreten. Eine despotische Regierung hat
dazu in Verbindung mit einem gewissenlosen Beamtentums jeden Fortschritt
verhindert. Nur die gegenseitige Eifersucht der europäischen Staaten hielt bisher
die Glieder des Ganzen zusammen, und die Türken selbst sahen in ihrem
Konstantinopel 1:180000.
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